Fantasiedokumente von „Reichsbürgern“
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Typische Aktivitäten

Reichsbürger entfalten gegenüber staatlichen Institutionen eine Vielzahl von Aktivitäten, die z. T. – wie die Beantragung von Staatsangehörigkeitsausweisen – Ausdruck ihrer Ideologie sind, aber auch auf die gezielte Lahmlegung der öffentlichen Verwaltung abzielen. In Einzelfällen kommt es dabei auch zu Gewaltandrohung bzw. -anwendung gegenüber staatlichen Repräsentanten.

Regelmäßig überziehen Reichsbürger Behörden und Gerichte mit querulatorischen Schreiben, in denen sie der öffentlichen Verwaltung und der Justiz ihre Autorität oder ihre Existenz absprechen. Z. T. verfolgen sie damit das Ziel, sich rechtlichen Verpflichtungen, wie z. B. Forderungen des Staates aus Steuer-, Bußgeld- oder Verwaltungsverfahren, zu entziehen. In umfangreichen Briefen werden z. B. Beamte und Richter belehrt und beleidigt oder gegen sie haltlose Schadenersatzforderungen erhoben.

Bevorzugt werden die absurden Schreiben in der Gründungsphase reichsideologischer Gruppierungen versandt, um alle Welt über die eigene Existenz in Kenntnis zu setzen und sich zu „legitimieren“. Ein anderer typischer erster Schritt, den Reichsbürger und Selbstverwalter unternehmen, um ihren „Austritt“ aus der BRD einzuleiten, ist die Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises (sog. „gelber Schein“) oder die Abgabe des Personalausweises bei den zuständigen Behörden. Parallel dazu veröffentlichen sie oftmals selbstentworfene Entstallungsurkunden, Selbstverwaltungsproklamationen oder sog. Lebenderklärungen im Internet oder senden diese an staatliche Stellen. Davon abgesehen werden Reichsbürger und Selbstverwalter für Behörden meist erst dann erkennbar, wenn diese zu Adressaten hoheitlicher Maßnahmen werden.

Eine weitere Methode von Aktivisten der Reichsbürgerszene, teils auch institutionalisiert, ist das Ausstellen bzw. Verwenden von selbstkreierten Fantasieurkunden wie Personen- oder Dienstausweisen, Pässen oder Kfz-Kennzeichen. Für die Ersteller dieser im Rechtsverkehr wertlosen Druckwerke erschließt sich damit auch eine lukrative Einnahmequelle. Darüber hinaus schröpfen sie Interessierte und „Mitglieder“ durch die kostenpflichtige Vergabe von Fantasieämtern oder Teilnahmemöglichkeiten an sog. Bürgertreffen und pseudorechtlichen Seminaren.

Ein beträchtlicher Teil der Aktivitäten spielt sich auch auf den zahlreichen Webauftritten und Social-Media-Plattformen im Internet ab. Auf Videoportalen wie YouTube werden trophäenhaft illegal mitgeschnittene Film- und Tonaufzeichnungen persönlicher Auseinandersetzungen mit Behördenmitarbeitern präsentiert, um diese vorzuführen. Die Tatsache, dass sich auf den meisten reichsideologischen Internetauftritten eine Vielzahl von Hinweisen, Handlungsempfehlungen oder Formblätter zur Verweigerung von Steuern, Buß- und Ordnungsgeldern oder anderen Zahlungen finden, zeigt, dass finanzielle Motive einen breiten Raum für die Szene einnehmen.

In der gerichtlichen Auseinandersetzung ist der Aktivismus der Reichsbürger und Selbstverwalter ambivalent: Einerseits schöpfen sie den juristischen Klageweg weitestgehend aus und überhäufen Gerichte mit Anträgen und Eingaben. Dabei lassen sie sich mitunter auch von selbst ernannten Szene-„Anwälten“, sogenannten Recht-Konsulenten (Schreibweise variiert), vertreten. Andererseits bleiben sie Gerichtsterminen fern, wirken nicht am ordentlichen Verfahren mit und versuchen, Strafbefehle einfach ins Leere laufen zu lassen und nicht zu beachten. Die sozialen Medien ermöglichen es zudem, innerhalb kurzer Zeit Unterstützer aus der Szene zu mobilisieren, um mit deren Hilfe behördliche Handlungen wie z. B. Zwangsräumungen zu blockieren.