Beobachtung durch den Verfassungsschutz

In Bayern ist seit 1994 neben der Polizei auch der Verfassungsschutz für die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität (OK) zuständig. Diese Zuständigkeit ergibt sich aus dem Bayerischen Verfassungsschutzgesetz (BayVSG).

Gemäß Art. 3 I Satz 1 Nr.5 BayVSG hat das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz die Aufgabe,

  • „Bestrebungen und Tätigkeiten der Organisierten Kriminalität im Geltungsbereich des Grundgesetzes zu beobachten“.

Gemäß Art. 3 I Satz 2 BayVSG hat das Landesamt

  • „in Erfüllung dieser Aufgabe Informationen, insbesondere sach- und personenbezogene Auskünfte, Nachrichten und Unterlagen über solche Bestrebungen oder Tätigkeiten zu sammeln und auszuwerten.“

Zurückzuführen ist diese Aufgabenzuteilung auf bundesweite Überlegungen Anfang der 90er Jahre, wie die OK wirksamer bekämpft werden kann. Ausschlaggebend waren eine starke Steigerung der Straftaten und ein verstärktes Auftreten weltweit operierender Verbrecherbanden, verbunden mit einer wachsenden Gewaltbereitschaft.

Um der massiven Bedrohung durch die OK mit allen Bekämpfungsmöglichkeiten begegnen zu können, wurde zum 1. August 1994, auf Grund eines 15-Punkte-Programms der Bayerischen Staatsregierung zum Thema „Innere Sicherheit“, das Verfassungsschutzgesetz entsprechend geändert. Seitdem können die Kenntnisse und Kompetenzen des Verfassungsschutzes auch für die Beobachtung der OK genutzt werden.

Beobachtungsschwerpunkte

Die Beobachtungsschwerpunkte des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz im Bereich der OK sind derzeit folgende Phänomenbereiche:

  • Rockerkriminalität
  • Russisch-Eurasische Organisierte Kriminalität
  • Italienische Organisierte Kriminalität
  • Nigerianische Organisierte Kriminalität

Die Bearbeitung der OK durch den Verfassungsschutz trägt dazu bei, kriminelle Strukturen und Netzwerke im Vorfeld konkreter Straftaten erkennen zu können. Ziel ist es, tiefer gehende Strukturerkenntnisse zur personellen Zusammensetzung, zu Deliktsfeldern, zum Finanzgebaren, zur Logistik und wirtschaftlichen Verflechtungen der erkannten Gruppierungen zu erlangen. Mit den gewonnenen Erkenntnissen wird die Arbeit der Strafverfolgungsbehörden unterstützt. Die Strukturermittlungen schaffen die Grundlagen für polizeiliche Verfahren. Kommt der Verfassungsschutz zu der Bewertung, dass es sich um eine OK-Struktur handelt, erfolgt eine Übermittlung dieser Informationen an die zuständigen Polizeibehörden zur weiteren Verwendung. Die beweiskräftige Feststellung und Verfolgung von Straftaten zählt zu den Aufgaben von Polizei und Staatsanwaltschaft. Die Zusammenarbeit zwischen Polizei und Verfassungsschutz gem. Art. 14 BayVSG ist vom Gesetz ausdrücklich vorgesehen.

Der Verfassungsschutz wird aber auch seiner Funktion als „Frühwarnsystem“ in der Politikberatung gerecht. Staatliche Einrichtungen und andere öffentliche Stellen werden über Gefahren informiert und in ihrem Handeln gegen kriminelle Geschäfte oder Einflussnahmen unterstützt.

Internationales Phänomen

Als internationales Phänomen muss die OK auch grenzüberschreitend bekämpft werden. Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz kooperiert mit Sicherheitsbehörden über Landes- und Staatsgrenzen hinweg. In mehreren Nachbarstaaten und fast allen Mitgliedsstaaten der EU sind die Inlandsnachrichtendienste umfassend oder in Teilbereichen mit der Beobachtung der OK befasst.

Innerhalb einer Arbeitsgruppe der europäischen Inlandsnachrichtendienste hat Bayern die Koordinierungsfunktion für Deutschland inne und ist zentraler Ansprechpartner für ausländische Nachrichtendienste.

Die nunmehr mehr als zwanzigjährige Praxis hat gezeigt, dass durch die Einbindung des Verfassungsschutzes in die Bekämpfung der OK eine wesentliche Ermittlungslücke geschlossen werden konnte.